Neuerungen im Familienrecht

von Michael Sigerist,

Auf den 1. Januar 2017 sind in zwei Gebieten des Familienrechts bedeutsame Gesetzesänderungen in Kraft getreten: Die einen betreffen die Verteilung der Guthaben aus der beruflichen Vorsorge (Pensionskasse) bei Scheidung, die anderen den Kindesunterhalt.

Auf den 1. Januar 2017 sind in zwei Gebieten des Familienrechts bedeutsame Gesetzesänderungen in Kraft getreten: Die einen betreffen die Verteilung der Guthaben aus der beruflichen Vorsorge (Pensionskasse) bei Scheidung, die anderen den Kindesunterhalt.

A) NEUERUNGEN IM VORSORGERECHT

1) Wichtigkeit von Pensionskassenguthaben

Die bei Pensionskasseneinrichtungen angesparten Guthaben stellen für zahlreiche Eheleute die wichtigsten, wenn nicht gar die einzigen Vermögenswerte dar. Ihrer sachgerechten und fairen Aufteilung bei Scheidung kommt daher erhebliche Bedeutung zu.

2) Nachteile der bisherigen Regelung

Die Praxis hat verschiedene Unzulänglichkeiten des bisherigen Vorsorgeausgleichs gezeigt:

  • Teilweise Benachteiligung des Betreuungsaufgaben ausübenden Gatten bei Scheidung;
  • Oftmals Verhinderung einvernehmlicher Parteiabsprachen durch Starrheit der geltenden Bestimmungen;
  • Unmöglichkeit der Teilung des Pensionskassenguthabens und Zuerkennung einer zumeist unbefriedigenden Abfindung bei eingetretener Pensionierung oder Invalidität eines Ehegatten;
  • Fehlende Massnahmen gegenüber „verstecktem“ Vorsorgevermögen.

Mit den auf den 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Neuerungen soll Bewährtes erhalten und das erkannte Ungenügen ersetzt werden.

3) Festhalten am Bewährten

a) PK-Guthaben vor der Ehe

Einzahlungen in die Pensionskassen, welche vor der Heirat getätigt wurden, werden nicht geteilt. Diese Vorsorgeguthaben stehen mitsamt Zins alleine dem Ehegatten zu, der die vorehelichen Einzahlungen leistete.

b) PK-Guthaben während der Ehe

Einzahlungen dagegen die während der Ehe in die Pensionskassen erfolgt sind bzw. die daraus erworbenen Austrittsleistungen, werden grundsätzlich hälftig geteilt. Für freiwillig erfolgte Einkäufe in die Pensionskasse ist nach der Herkunft der Vermögenswerte zu differenzieren. Entstammen diese der Errungenschaft (z. B. Erwerbseinkommen, Surrogate, Ersparnisse), werden die Einkäufe grundsätzlich hälftig geteilt. Entstammen diese dem Eigengut (z. B. voreheliches Vermögen, Schenkungen, Erbschaften), unterbleibt die Teilung und die Einkäufe stehen mitsamt dem darauf anfallenden Zins dem Einkaufenden alleine zu.

4) Neuerungen

a) Berechnungszeitpunkt

Massgebender Zeitpunkt für die Berechnung der Austrittsleistung ist neu die Einleitung und nicht mehr das Ende des Scheidungsverfahrens.

b) Teilung trotz Pensionierung oder Invalidität

Neu wird die Teilung auch dann vollzogen, wenn ein Ehegatte im Teilungszeitpunkt bereits pensioniert oder invalid ist. Einzelfallweise wird entweder eine hypothetische Austrittsleistung berechnet oder es wird die vorhandene Rente geteilt und in eine lebenslange Rente des Berechtigten umgerechnet.

c) Meldepflicht

Um sicherzustellen, dass keine Vorsorgeguthaben der Teilung entzogen werden, sind Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen verpflichtet, der Zentralstelle 2. Säule periodisch alle Inhaber von Vorsorgeguthaben zu melden.

d) Auszahlungen und BVG-Altersguthaben

Neu wird zudem sichergestellt, dass während der Ehe keine Vorsorgeguthaben ohne das Wissen des anderen Ehegatten ausgezahlt werden und bei einem Vorsorgeausgleich ein fairer Anteil an obligatorischem BVG-Altersguthaben übertragen wird.

e) Überweisung an Auffangeinrichtung BVG

Wer bei einer Scheidung ein Vorsorgeguthaben erhält, selber aber keiner Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist, kann das Guthaben neu an die Auffangeinrichtung BVG überweisen und später in eine Rente umwandeln lassen.

f) Erhöhte Flexibilität

Im Unterschied zum bisherigen Recht muss die hälftige Teilung künftig nicht mehr zwingend im Pensionskassenvermögen selbst umgesetzt werden. Es ist vielmehr möglich, dass der eine Ehegatte z.B. die gemeinsame Immobilie erhält und zwecks Realisierung der insgesamt hälftigen Vermögensaufteilung im Gegenzug auf die Vorsorgeansprüche verzichtet.

g) Übergangsregelung für Geschiedene

Personen, die bereits geschieden sind und denen nach bisherigem Recht eine angemessene Entschädigung in Form einer Rente zulasten des anderen Ehegatten zugesprochen wurde, verlieren diese, wenn der Verpflichtete stirbt. Die Hinterlassenenrente aus der Vorsorge ist dann oft viel tiefer als die in Renten bezogene Entschädigung. Die Gesetzesrevision sieht vor, dass auch solche Personen vom neuen Recht profitieren sollen und hat für diese eine Übergangsregelung geschaffen. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Personen bis zum 31. Dezember 2017 beim zuständigen Gericht den Antrag stellen, die bestehende Entschädigungszahlung in eine neue lebenslange Vorsorgerente umwandeln zu lassen.

B) NEUERUNGEN BEIM KINDESUNTERHALT

1) Beseitigung von Ungleichbehandlungen

Da unverheiratete, die alleinige Obhut ausübende Mütter keinen Frauenunterhaltsanspruch besitzen, sind diese gemäss geltendem Recht gegenüber verheirateten bzw. geschiedenen Müttern benachteiligt. Der neue Kindesunterhalt beseitigt diese Ungleichbehandlung.

2) Bar- und Betreuungsunterhalt

Neu sind für die Berechnung des Kindesunterhalts nicht nur die direkten Kosten für das Kind wie z.B. Mietanteil, Krankenkasse, Kleider oder

Hobbys (Barunterhalt), sondern auch der Be- treuungsunterhalt zu berücksichtigen. Mit dem Einbezug des Betreuungsunterhalts soll der Einsatz des betreuenden Elternteils finanziell entschädigt und dadurch sichergestellt werden. Offen ist, wie der Unterhalt für die Betreuung zu berechnen ist. Nach Ansicht des Bundesrates soll der neue Unterhalt grundsätzlich die Lebenskosten der betreuenden Person umfassen, «soweit diese aufgrund der Betreuung nicht selbst dafür aufkommen kann». Anspruch besteht daher nur, wenn zu einer Zeit betreut wird, während der dem obhutsberechtigten Elternteil die Ausübung einer Erwerbstätigkeit möglich wäre.

3) Vorrang des Kindesunterhalts

Der Unterhalt minderjähriger Kinder hat zudem künftig Vorrang vor den übrigen familienrechtlichen Unterhaltspflichten.

4) Gerichtliche Kompetenz

Weiter haben die Gerichte beim Entscheid über die Obhut die Möglichkeit einer alternierenden Obhut zu prüfen, wenn die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübt wird und ein Elternteil oder das Kind dies verlangt.

C) FAZIT

Vorsorgeausgleich und Unterhaltsberechnungen sind komplexe Themen. Zur Beantwortung von in diesem Zusammenhang stehenden Fragen stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung.

verfasst am 01.01.2017 von:

lic. iur. Michael Sigerist
LL.M., Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt SAV Erbrecht
Telefon 041 227 50 00